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Allgemein Weils Woche

Ein richtig schlechter Wahlabend

Es gibt Wahlabende, die fangen schlecht an und bleiben schlecht. Der Sonntagabend war dafür ein gutes Beispiel. Vor allem für die Ampel-Parteien gab es eine echte Klatsche: Die SPD erreicht noch nicht mal vierzehn Prozent, die Grünen verlieren mehr als acht Prozent, die FDP landet bei knapp über fünf Prozent.

Und dazu kam auch noch der Erfolg der AfD, die bei den Europa-Wahlen zweitstärkste Partei wird und vor allem in den ostdeutschen Ländern sehr stark ist.  So ähnlich war es in manchen anderen europäischen Ländern auch. Wie gesagt, ein Abend zum Vergessen.

Oder besser gesagt: Ein echter Weckruf. Denn nach den Sommerferien stehen direkt drei Landtagswahlen im Osten an. Und in fünfzehn Monaten sind die nächsten Bundestagswahlen – erfahrungsgemäß werden dafür jetzt schon wichtige Weichen gestellt. Vielleicht ist der Montag nach den Europa-Wahlen schon so etwas wie der erste Tag des Bundestagswahlkampfs.

Der Tag danach ist nämlich der Tag der Analysen. Und in einem Punkt sind sich wohl alle einig: Die Bundespolitik hat für dieses Ergebnis leider eine ganz wichtige Rolle gespielt. Viele Wählerinnen und Wähler sind unzufrieden und das haben sie an der Wahlurne auch gezeigt.  Die Wahlbeteiligung war übrigens deutlich höher als vor fünf Jahren.

Was sind die Lehren aus dem Sonntagabend?

In Europa ist vor allem das Lager der extremen Rechten gestärkt worden. Ursula von der Leyen und die Konservativen werden sich entscheiden müssen, ob sie mit deren Stimmen als Präsidentin der EU-Kommission wiedergewählt werden oder mit Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen zusammenarbeiten will. Das ist dann auch so eine Art Richtungsentscheidung und wird interessant.

Im Bund muss die Ampel die Kurve kriegen – zum Wohle des Landes, aber auch wenn diese Parteien mit Aussicht auf Erfolg in die anstehenden Wahlkämpfe gehen will.

Dazu müssen sie sich zunächst auf einen Bundeshaushalt für das nächste Jahr einigen und das wird kompliziert, das steht fest.

Aber dazu muss am besten noch etwas kommen: Ein Programm, was man gemeinsam bis zu den nächsten Bundestagswahlen noch schaffen will und zwar mal ganz ohne Zank und Ärger. Am besten mit Themen, die ganz konkret im Alltag der Wählerinnen und Wähler ankommen.

Das ist vor allem auch für die Aussichten der SPD wichtig, denn das ist unser Anspruch.

Das werden also spannende Wochen in Berlin werden, so viel steht fest.


Und im Land Niedersachsen? Das gab es lange Gesichter bei den Grünen (starke Verluste), saure Mienen bei der SPD (leichte Verluste), zufriedenes Lächeln bei der CDU (leichte Gewinne) und breites Grinsen bei der AfD (starke Gewinne). Aber für Rot-Grün gibt es wenigstens zwei Trostpflaster: Um die Landespolitik ging es am Sonntagabend so gut wie gar nicht und die nächsten Landtagswahlen sind erst im Herbst 2027. Und dann soll der Wahlabend ein ganz anderer werden!

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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China, China, China

Vor 55 Jahren raunte Kurt-Georg Kiesinger, der damalige Bundeskanzler, ahnungsvoll: “Ich sage nur China, China, China!” und wollte damit wohl vor der “gelben Gefahr” warnen. 

Vor 40 Jahren reiste Ernst Albrecht, der damalige niedersächsische Ministerpräsident, unter ziemlich abenteuerlichen Bedingungen in die chinesische Provinz Anhui und begründete dort die erste Partnerschaft zwischen einer chinesischen Provinz und einem deutschen Bundesland. Und in der letzten Woche bin ich mit einer großen Wirtschaftsdelegation aus Niedersachsen ebenfalls dort gewesen, um dieses Jubiläum zu würdigen.

In den vergangenen Jahrzehnten ist viel geschehen. China hat einen einzigartigen Aufstieg vom Entwicklungsland zur Supermacht vollzogen, die chinesische Gesellschaft ist nicht mehr wiederzuerkennen. 

Ein Beispiel: Als die Partnerschaft zwischen Niedersachsen und Anhui begründet wurde, waren die Hauptstädte Hefei und Hannover mit jeweils etwa einer halben Million Menschen ungefähr gleich groß. Heute hat Hefei mit etwa neun Millionen Menschen mehr Einwohner als ganz Niedersachsen, während Hannover ungefähr gleich groß geblieben ist. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland sind enorm gewachsen und viele Unternehmen aus Niedersachsen engagieren sich inzwischen im Reich der Mitte.

Gleichzeitig sind beide Länder komplett unterschiedlich. Geschichte, Kultur und politische Ordnung sind durch und durch verschieden und gerade auch in den letzten Jahren gibt es immer mehr schwierige Fragen, die die Beziehungen kompliziert machen.

Um einmal ein paar aktuelle Themen zu nennen: Die Auseinandersetzungen zwischen den USA und China, die chinesische Position zum Krieg in der Ukraine, die Diskussion um subventionierte Dumping-Preise von chinesischen Unternehmen und mögliche Einfuhrzölle der Europäischen Union, Menschenrechte und Pressefreiheit, die Sorge vor einer militärischen Eskalation wegen Taiwan … – die Weltpolitik bietet derzeit jede Menge komplizierte Probleme und Risiken, das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die deutsch-chinesischen Beziehungen.

Ist es richtig, unter solchen Vorzeichen eine Jubiläumsreise nach China anzutreten? Aus meiner Sicht und sicher den allermeisten anderen Mitgliedern der Reisegruppe lautet die Antwort: Gerade dann muss man Beziehungen pflegen und Kontakte ausbauen, Funkstille würde niemandem nutzen.

Es ist dabei im Übrigen durchaus möglich, über schwierige Punkte ernsthaft miteinander zu reden, auch wenn erwartungsgemäß die chinesische Seite dann einen anderen Standpunkt einnimmt als ein deutscher Politiker. Aber gerade deswegen sind diese Gespräche notwendig, um die unterschiedlichen Sichtweisen überhaupt miteinander diskutieren zu können. 

Im Übrigen gibt es vor allem auch viele gemeinsame Interessen, die einen weiteren Ausbau von Beziehungen lohnen. Klimaschutz etwa ist in China ebenso wie in Deutschland eines der wichtigsten Themen und beide Länder haben dabei ihre Erfolge ebenso wie ihre Schwierigkeiten. Der demographische Wandel ist in beiden Ländern eine gewaltige Herausforderung und – last but not least – werden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland auch in Zukunft eine ganz starke Rolle spielen. 

Dass Deutschland im Ganzen und die Unternehmen im Einzelnen dabei nicht in eine Abhängigkeit geraten dürfen, ist seit unseren Erfahrungen mit russischem Erdgas völlig unstrittig. Die Chinesen machen dasselbe übrigens sehr klar auch für ihr eigenes Land geltend. 

Und noch eines: Der China-Besuch aus Niedersachsen war nicht zuletzt durch eine ausgeprägte und herzliche Gastfreundschaft geprägt, die deutlich über die normalen internationalen Standards hinausging. Das Interesse, möglichst gute Beziehungen zu den deutschen Partnern auch in schwierigen Zeiten miteinander zu pflegen, war sehr zu spüren, das gilt auch umgekehrt für uns. 

In einer Welt, die aktuell von Krisen, Kriegen und Instabilität geprägt wird, sind solche Zeichen herzlich willkommen, finde ich.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Herzlichen Glückwunsch, Grundgesetz!

Am Donnerstag feiern wir 75. Geburtstag. Allerdings ist das Geburtagskind nicht eine in Ehren ergraute Persönlichkeit, sondern das Grundgesetz. Gefeiert wird in Berlin mit einem Staatsakt und einem großen Bürgerfest, in Niedersachsen mit vielen großen und kleinen Veranstaltungen im ganzen Land und das bis in den Sommer hinein.

Ich finde, das Grundgesetz hat diesen großen Bahnhof sehr verdient. Man muss sich einmal klarmachen, unter welchen Bedingungen es einmal entstanden ist. Deutschland hatte den von ihm selbst begonnenen II. Weltkrieg verloren, im ganzen Land herrschte Chaos und Zerstörung – viele Städte sahen so aus, wie heute die Bilder aus ukrainischen Städten. Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, vor allem aus den deutschen Ostgebieten, mussten aufgenommen werden, allein in Niedersachsen machten sie damals mehr als ein Viertel der Bevölkerung aus. Das ist für uns heute kaum noch vorstellbar.

Und zugleich war Deutschland damals “besudelt unter den Völkern”, wie Bertold Brecht Jahre davor in seinem berühmten Gedicht “Deutschland, bleiche Mutter” geahnt hatte. Von Deutschen und in deutschem Namen waren unfassbare Verbrechen begangen worden, vor allem eine grausame Ausrottungspolitik gegenüber Juden, die geradezu mit industrieller Perfektion betrieben wurde. Das war der absolute Tiefpunkt der deutschen Geschichte.

Von diesem Tiefpunkt aus begann mit dem Grundgesetz ein neues Kapitel dieser Geschichte. Demokratie statt Diktatur, Rechtsstaat statt Willkür, Grundrechte statt Terror – das Grundgesetz sollte die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Debakel der NS-Zeit ziehen. Und was für ein Erfolg ist daraus geworden?! Frieden, persönliche und politische Freiheit, ein in großen Teilen der Welt kaum vorstellbarer Wohlstand und inzwischen ist Deutschland übrigens auch wieder ein sehr geachteter Teil der Völkergemeinschaft. Das ist wohl einen herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtag wert!

Aber es gibt natürlich auch viel Beunruhigendes. Weltweit erleben wir derzeit geradezu eine Schwemme von Autokratien, internationale Krisen und große Hausaufgaben im eigenen Land lassen Sorgen und Pessimismus aufkommen. Was kann da eine Verfassung leisten? Sie kann auch für solche Herausforderungen den richtigen Rahmen anbieten, in dem dann Politik und Gesellschaft die richtigen Antworten entwickeln müssen. Das Grundgesetz, davon bin ich überzeugt, ist ein gutes Fundament, um auch die aktuellen und zukünftigen Krisen zu bewältigen.

Eigentlich fällt mir nur ein Bereich in unserem Grundgesetz ein, in dem eine Korrektur fällig ist: Die erst vor einigen Jahren eingefügte Schuldenbremse muss dringend reformiert werden! Gerade in den nächsten 10 Jahren stehen große Aufgaben an, von der Sicherheit über bessere Bildung bis zum Klimaschutz. Für all das brauchen wir einen aktiven Staat, der in die Zukunft investiert und sie damit sichert.

Und was sollten wir dem Grundgesetz zum Jubiläum schenken? Am besten unser Engagement für die Gesellschaft und die Demokratie. Denn eine Demokratie braucht vor allem eines – Demokratinnen und Demokraten, die sich zeigen und einstehen für die Demokratie.

Insofern waren die großen Demonstrationen am Jahresanfang schon so etwas wie ein vorgezogenes Geburtagsgeschenk für das Grundgesetz. Aber von einem solchen Geschenk kann man gar nicht genug haben. Insofern freue ich mich besonders über engagierte Schülerinnen und Schüler, die in Hannover am Mittag des 23. Mai einen großen Sternmarsch planen, der am Opernplatz enden soll. Herzlichen Dank für euer Engagement!

Das Grundgesetz gehört zum Besten, was wir in Deutschland haben – davon bin ich überzeugt. Sorgen wir dafür, dass noch sehr, sehr lange das Fundament unserer Gesellschaft bleibt.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Tag der Befreiung

Am Mittwoch steht ein Datum an, das man kennen muss, wenn man die Geschichte unseres Landes im letzten, etwas mehr als einem Dreivierteljahrhundet verstehen will. Der 8. Mai 1945 markiert das Ende des II. Weltkriegs mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches. Faktisch war dieser Krieg mit geschätzt mehr als siebzig Millionen Toten (!) für große Teile Deutschlands schon davor zu Ende. Große Teile unseres Landes waren zu diesem Zeitpunkt nicht nur zerstört, sondern auch besetzt und frei von Kriegshandlungen. Aber mit der Kapitulation hatte das Deutsche Reich seine Niederlage auch sich selbst und den Alliierten eingestanden und erst damit den von ihm selbst ausgelösten Krieg beendet.

Warum geht uns das heute immer noch etwas an? Die Antwort auf die Frage führt zu dem Streit, was denn eigentlich der Charakter dieses Tages ist – ein Tag der Niederlage oder ein Tag der Befreiung. Der Begriff “Tag der Befreiung” geht zurück auf eine Rede, die der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 vor dem Deutschen Bundestag hielt. Von Weizsäcker war durch und durch ein Konservativer und Mitglied der CDU. Zur NS-Zeit hatte er eine besondere Beziehung: Sein Vater war Staatssekretär im Auswärtigen Amt und wurde wegen Mitwirkung an der Deportation französischer Juden im Nürnberger Prozess als Kriegsverbrecher verurteilt. Er wurde von seinem Sohn Richard, der damals junger Rechtsanwalt war, verteidigt, sodass der spätere Bundespräsident selbst an diesem historischen Verfahren mitgewirkt hat.

Vor diesem Hintergrund war es umso bemerkenswerter, dass von Weizsäcker in seiner Rede klipp und klar erklärte: “Der Zusammenbruch der NS-Diktatur am 8. Mai 1945 wurde für die Deutschen ein Tag der Befreiung.” Gerade die eigenen politischen Freunde kritisierten diesen Satz scharf – sollten die Deutschen ihren Besatzern etwa dankbar sein? Und überhaupt, allmählich sei es genug der Vergangenheitsbewältigung. Wer hat recht?

Vor etwa zwei Wochen habe ich auf dem Gelände des KZ Bergen-Belsen im Landkreis Celle der etwa 50 000 Opfer gedacht, die dort bis zum Kriegsende dort ermordet wurden. Wer heute in die friedliche Heide-Landschaft blickt, kann sich nicht ausmalen, welches Inferno dort zum Kriegsende geherrscht haben muss – in der “Hölle von Bergen-Belsen”, wie die Häftlinge sagten. Wer das Glück hatte, lebend von den britischen Soldaten angetroffen und auch die nächsten Tage überlebt zu haben, für den war das Kriegsende buchstäblich eine Befreiung. Und so ging es Millionen von Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland und weit darüber hinaus.

Viele Deutsche werden das Kriegsende vor allem als Erlösung empfunden haben, der von Deutschland begonnene Krieg war mit furchtbarer Gewalt nach Deutschland zurückgekehrt. Ob nun alle es auch so empfunden haben oder nicht, erst die Niederlage Deutschlands hat die Chance eröffnet, von der Kapitulation aus neu zu beginnen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: Recht statt Unrecht, Demokratie statt Diktatur, Menschenrechte statt Terror. Das Grundgesetz, das in wenigen Tagen 75 Jahre alt wird, hätte es ohne den 8. Mail 1945 nicht gegeben.

Richard von Weizsäcker hatte recht, es war ein Tag der Befreiung. Aber warum müssen wir immer noch darüber reden? Weil sich die wohl größten Verbrechen jemals nicht aus der Geschichte löschen lassen und wir keine Gewähr haben, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.

Erst am Wochenende hat es erschreckende Nachrichten über Gewalttaten gegen Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien gegeben und der sächsische Europa-Abgeordnete Matthias Ecke ist beim Plakataufhängen sogar krankenhausreif geschlagen worden. Es ist eben keine Plattitüde zu sagen: So fing es mit den Nazis auch einmal an. Auf eine freiheitliche Demokratie gibt es kein Abo, sie muss immer wieder verteidigt werden und dazu gehört auch der Blick zurück.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Heraus zum 1. Mai!

Pünktlich zum Monatswechsel ist der Frühling zurück und für den nächsten Mittwoch sind satte 25 Grad prognostiziert. Klar, da ist der Biergarten eine echte Option, aber davor sollte noch etwas anderes stehen. Am Tag der Arbeit finden wieder überall in Niedersachsen und in ganz Deutschland die Demonstrationen und Kundgebungen des DGB statt – in Hannover startet die zentrale Maifeier der Gewerkschaften, mich findet Ihr in Wolfsburg. Ich hoffe, es wird richtig voll werden in diesem Jahr, Gründe genug gibt es jedenfalls.

Da sind zunächst einmal die Interessen der abhängig Beschäftigten in einer Wirtschaft, die sich im Wandel befindet, aber derzeit auch nicht so richtig Wind unter den Flügeln hat. Das gilt vor allem auch in Branchen, die in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess stehen. Die Automobilindustrie etwa, die gleichzeitig auf die Elektromobilität umsteigen und die Digitalisierung des Autos bewältigen muss. Andere Branchen haben sehr aktuelle Probleme wie die Bauwirtschaft, die aktuell große Auftragseinbrüche erlebt. Und schließlich gibt es viele Branchen, die sich mit Billigangeboten aus anderen Ländern auseinandersetzen müssen, nicht selten auch mit Dumping-Preisen.

Gleichzeitig erleben wir derzeit eine wirtschaftspolitische Diskussion, die genau in die falsche Richtung weist. Die FDP fordert eine “Wirtschaftswende”, die CDU eine “echte Wirtschaftswende” und beide wärmen damit wieder einmal ganz alten Kaffee auf. Die Rente mit 63 Jahren soll weg, die Steuern runter und der Staat soll keine Schulden machen. Ganz alte Schule eben, die mit den aktuellen Herausforderungen herzlich wenig zu tun hat. Viele andere Staaten zeigen Deutschland gerade, wie wichtig es ist, dass sich in einer Übergangssituation wie im Moment der Staat engagiert, die Weichen richtig stellt und auch Anreize setzt. Die Schuldenbremse ist ein sehr deutscher Weg und die Zwischenbilanz fällt nicht besonders gut aus. Für die Beschäftigten in unserem Land ist das keine gute Nachricht, gerade sie brauchen einen aktiven Staat und der 1. Mai ist eine gute Gelegenheit, dafür auf die Straße zu gehen.

Ein zweites Beispiel: Am 9. Juni finden die Wahlen zum Europa-Parlament statt. In immer mehr Bereichen spielt Europa eine entscheidende Rolle und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind die Kräfteverhältnisse im Europaparlament außerordentlich wichtig. Und natürlich auch der Kurs der Europäischen Union. Deutschland ist das größte Mitgliedsland, zahlt die höchsten Finanzbeiträge, zieht aber auch mit Abstand den meisten wirtschaftlichen Gewinn aus dem gemeinsamen europäischen Markt. Für die meisten deutschen Unternehmen ist Europa der größte und wichtigste Markt. Die Forderung nach einem “Dexit”, einem Ausstieg Deutschlands aus der EU, ist ein Programm zur massenhaften Verarmung von vielen, vielen Menschen in Deutschland. Einem solchen Kurs eine klare Absage zu erteilen, ist im Interesse gerade auch aller abhängig Beschäftigen in Deutschland. Und das heißt: Keine Stimme für die AfD!

Und ein drittes Argument, am Mittwochvormittag auf die Demo zu gehen: Die Kundgebungen am 1. Mai waren von Anfang an auch immer Kundgebungen für die Demokratie und gegen Rechts. Es war konsequent, dass die Nazis als eine ihrer ersten Maßnahmen die Gewerkschaften verboten haben und deren Mai-Demonstrationen. Heute geht es wieder darum, für die Demokratie einzustehen und viele Menschen sind dazu auch bereit, wie die riesigen Demonstrationen am Jahresanfang gezeigt haben. Der 1. Mai ist eine richtig gute Gelegenheit zu zeigen, dass das keine Eintagsfliege gewesen ist.

Es spricht also viel dafür, am Mittwoch mit dabei zu sein. In diesem Sinne: Heraus zum 1. Mai!

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Landtag Weils Woche

Keine Abenteuer!

Der russische Angriff auf die Ukraine hat in den letzten zwei Jahren bereits einen unermesslichen Schaden angerichtet, aber es ist immer noch kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Die russische Armee verstärkt ihre Angriffe und bei der ukrainischen Armee macht sich immer stärker der Mangel an Munition bemerkbar. Donald Trump verhindert über den US-Kongress umfangreichere amerikanische Waffenlieferungen und etliche europäische Länder lassen großen Worten nur kleine Taten folgen.

Und in Deutschland? Da wiederholt sich etwas, was in den vergangenen etwas mehr als zwei Jahren schon mehrfach zu beobachten war: Die Union und manche Ampel-Politiker können gar nicht forsch genug noch mehr deutsche Unterstützung für die Ukraine fordern. Blöd nur, dass die Mehrheit der Bevölkerung das ganz anders sieht und der umsichtigen Haltung des Bundeskanzlers folgt. Und Olaf Scholz bleibt schlichtweg bei der Linie, die er von Anfang dieses Krieges an eingenommen hat: Deutschland unterstützt die Ukraine tatkräftig, aber es macht nichts, was als eine Kriegsbeteiligung ausgelegt werden könnte.

Genau so ist es gekommen. Deutschland hat mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine als Kriegsflüchtlinge aufgenommen und liefert nach den USA die meisten Waffen, damit die ukrainische Armee sich den russischen Angriffen entgegenstellen kann. Die anderen Länder folgen erst mit weitem Abstand. Mit beidem sind erhebliche finanzielle Lasten verbunden, die für unser Land gerade in diesen Zeiten nicht leicht zu bewältigen sind.

Dennoch unterstützt eine breite Mehrheit in der Gesellschaft unverändert diesen Kurs. Die meisten Menschen haben nicht vergessen, wer in diesem Krieg Angreifer ist und wer sich verteidigen muss. Aber diese Unterstützung hat eine Grundlage: unser Land darf nicht Teil dieser Auseinandersetzung werden. Aus guten Gründen ziehen viele Menschen genau an dieser Stelle eine Grenze, die Unterstützung für die Ukraine ist kein Freibrief für Abenteuer.

Diesen Zusammenhang verkennen diejenigen Politikerinnen und Politiker, denen die ganze Unterstützung nicht genug ist. Bei solchen Reden kann man nur dankbar sein, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz heißt und nicht Friedrich Merz. Mir jedenfalls ist ein Bundeskanzler, der in Sachen Krieg und Frieden kein Risiko eingeht, hundertmal lieber.

Die Pointe kam übrigens ein paar Tage später: Das sei doch alles eine Wahlkampfstrategie, die SPD wolle Olaf Scholz als Friedenskanzler präsentieren. Schon ein seltsamer Vorwurf – was bitte sehr ist eigentlich dagegen zu sagen, wenn ein Bundeskanzler die Sicherheit des Landes schützt? Genau genommen ist das nämlich seine Aufgabe.

Und dann hat Rolf Mützenich auch noch das Wort „einfrieren“ als einen Weg zum Frieden in den Mund genommen und prompt einen Sturm der Entrüstung ausgelöst samt der Frage, wie es denn um die Solidarität der SPD mit der Ukraine in Wirklichkeit stehen würde. Ganz in der Tradition von Wilhelm II. und seinen „vaterlandslosen Gesellen“.

Die Frage von Krieg und Frieden ist zu wichtig für solche Spielchen. Deutschland darf nicht nachlassen, nicht in der Unterstützung für die Ukraine und nicht in der Suche nach dem Frieden.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Landtag Weils Woche

High Noon im Bundesrat

Am Freitag steht in Berlin eine Sitzung des Bundesrates an, die spannend werden könnte. Das ist – ehrlich gesagt – nicht immer der Fall, denn die Vertretung der Länder steht mit ihrer Schlussentscheidung ganz am Ende eines Gesetzgebungsverfahrens. Oft ist dann schon vorher klar, wie es ausgehen wird. Aber am Freitag könnte das anders sein und zwar gleich bei verschiedenen Themen, die es jedes für sich in sich haben.

Wachstumschancengesetz
Eine dieser seltsamen Wortschöpfungen, die den Sinn eines Gesetzes kaum erkennen lassen. Hier geht‘s um Wirtschaftspolitik. Teile der deutschen Wirtschaft dümpeln derzeit mehr oder weniger vor sich hin und wir sind von Wachstumsraten wie in anderen Ländern ziemlich weit entfernt. Das kann nicht so bleiben, darin sind sich eigentlich alle einig. Deswegen hatte die Bundesregierung Steuererleichterungen für die Unternehmen vorgesehen, die zu Investitionen anregen sollten.

Der Nachteil: Dieses Gesetz hätte in seiner ursprünglichen Fassung zu riesigen Steuerausfällen in den öffentlichen Kassen geführt, die sowieso schon gestresst sind. Deswegen haben die Länder im sog. Vermittlungsausschuss einen Kompromiss durchgesetzt, der diese Folgen deutlich reduziert.

Positiv sind insbesondere Impulse für die notleidende Bauwirtschaft und für Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung. Deswegen macht das Gesetz auch Sinn und alle sollten dafür sein. Das sind eigentlich auch die meisten, aber die CDU-regierten Länder machen ihre Zustimmung davon abhängig, dass es vorher eine Einigung bei der Entlastung für die Landwirtschaft gibt.

Das ist zwar ein ganz anderes Thema, aber so bleibt es spannend… Tendenz: Das Gesetz kommt.

Entlastungen für die Landwirtschaft
Die Proteste der Landwirte in den letzten Monaten haben sich nur auf den ersten Blick dagegen gerichtet, dass Steuererleichterungen für den Agrar-Diesel abgeschafft werden sollen. So steht es im Bundeshaushalt, aber vorher muss dafür noch ein Gesetz geändert werden, um das es am Freitag im Bundesrat geht: Das Haushaltsfinanzierungsgesetz (noch so ein Bandwurmwort) des Bundes.

Das ist normalerweise eine Formsache, in diesem Jahr wegen des Agrar-Diesels aber nicht. Denn die Länder können über den Bundesrat dieses Gesetz einstweilen stoppen, indem sie den Vermittlungsausschuss anrufen. Und das würden sie wohl auch, wenn es vorher nicht vernünftige Vorschläge zur Entlastung der Landwirte gibt. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um die viel zu vielen Vorgaben für die Landwirtschaft.

Kommt es zu (notwendigen) Entlastungen für die Landwirtschaft? Das ist am Anfang der Woche noch nicht klar. Derzeit wird viel geredet mit der Landwirtschaft, die Bundesregierung tut es und die Ampelfraktionen im Bundestag auch. Aber ob es zu einem vernünftigen Ergebnis kommt, was ich hoffe, ist am Wochenanfang noch offen und damit auch die Zustimmung der Länder zum Haushaltsfinanzierungsgesetz. Es bleibt also spannend.

Cannabisgesetz
Und noch ein Aufreger-Gesetz: Der Cannabis-Konsum soll nach dem Willen des Bundesrates nicht mehr strafbar sein, dagegen gibt es noch die geringste Kritik. Aber auch der Anbau und die Abgabe von Haschisch soll unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein.

Dieses Gesetz ist schwer umstritten. Einerseits gibt es einige Millionen Cannabis-Konsumenten, die aus leicht nachvollziehbaren Gründen dafür sind. Und andererseits gibt es gewichtige Stimmen, die unter ganz unterschiedlichen Aspekten davor dringend abraten. Vor allem die Auswirkungen auf manche junge Leute, so sagen Medizinerinnen und Mediziner, sind sehr bedenklich.

In den vorangegangenen Ausschüssen des Bundesrates haben sich klare Mehrheiten gegen das Gesetz ausgesprochen. Im Bundesrat selbst entscheiden aber nicht mehr die einzelnen Ressorts, sondern die Landesregierungen insgesamt und damit die jeweiligen Koalitionen. Ob es unter diesen Umständen dazu kommt, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft, ist offen. Und auch wir in Niedersachsen werden wohl erst kurz vor dem kommenden Freitag unser Stimmverhalten festlegen.

Also auch hier: Es bleibt spannend und am Ende könnte ein Vermittlungsverfahren herauskommen.

Krankenhäuser
Als ob es noch nicht genug wäre, kommt es dann noch zu einer ganz wichtigen Frage für die Krankenhäuser, von denen derzeit viele tief in den roten Zahlen stecken. Mit dem Transparenzgesetz will die Bundesregierung für bessere Informationen darüber sorgen, wo Stärken und auch Schwächen von einzelnen Krankenhäusern sind. Das ist für die Patientinnen und Patienten sicher sinnvoll. Aber dann müssen die Krankenhäuser endlich auch unter gesicherten finanziellen Bedingungen arbeiten können, sagen die Länder. Die Bundesregierung will dazu Klarheit schaffen durch eine verbindliche Erklärung, wie sie in einem nächsten Gesetz finanzielle Sicherheit schaffen will. Mich würde es freuen.

Tendenz: Mit allseits gutem Willen wird Klarheit für die Patienten und für die Krankenhäuser geschaffen.

 

Alles klar? Unkompliziert ist keines dieser Themen und wichtig für unterschiedliche Teile der Bevölkerung eigentlich alle. So eine Tagesordnung hatten wir im Bundesrat schon lange nicht mehr – high noon am Freitag.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Integration durch Arbeit

Eigentlich ist Arbeit das perfekte Integrationsmittel. Wo auch immer Menschen herkommen, wer arbeitet und seinen Lebensunterhalt selbst verdient, wird auf mehr gesellschaftliche Anerkennung stoßen, soziale Beziehungen am Arbeitsplatz aufbauen können und nach und nach auch die Sprache besser lernen.

Am Freitag habe ich dafür ein besonders gutes Beispiel erlebt: Beim Besuch eines großen Elektrounternehmens in der Region Hannover präsentiert mir der Chef sein Unternehmen und verweist dabei darauf, bei ihm würden Menschen aus zweiundzwanzig Nationen arbeiten. Und was das heißen kann, erlebe ich etwas später, als ich ein Team kennenlerne, das u.a. immer wieder große Aufträge, etwa für die Installation von Videoanlagen, an Land zieht und sich dabei gegen große Konzerne durchsetzt. Die Gruppe besteht aus vier Männern, die aus Syrien, der Türkei, Serbien und Deutschland stammen. Ein denkbar buntes Team und gleichzeitig höchst erfolgreich.

Leider klappt es längst nicht überall so gut. Bei der Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten ist im Gegenteil insgesamt noch eine Menge Luft nach oben. Dabei suchen immer mehr Unternehmen händeringend Auszubildende und so wird es auch noch länger weitergehen. Denn in den nächsten Jahren gehen geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand und die nachrückenden jungen Jahrgänge sind sehr viel kleiner.

Grob gesagt sind sieben Jahre nach dem Zuzug etwas mehr als sechzig Prozent der Betroffenen erwerbstätig und haben einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Vor allem bei den Frauen sehen die Zahlen allerdings deutlich schlechter aus. Warum sind es nicht mehr, warum geht es nicht schneller? Sicher gibt es dafür ganz unterschiedliche Gründe, manche werden personenbezogen sein, aber andere hängen mit den staatlichen Verfahren zusammen.

Da geht es etwa um die langwierigen Verfahren, bis Bildungsabschlüsse aus den Herkunftsländern anerkannt werden. Oder um die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis, solange die Verfahren noch nicht abgeschlossen und ein Bleiberecht festgestellt ist. Aber noch problematischer, so ist immer mehr mein Eindruck, ist eine strikte Reihenfolge – erst Sprachförderung, dann Arbeitsmarkt.

Natürlich muss man die Sprache verstehen, wenn man sich auf einem Arbeitsplatz verständigen, einen Kunden beraten oder Sicherheitsvorschriften beachten soll. Andererseits: Die Sprache lernt man beim Sprechen, das ist nicht nur meine Erfahrung. Unterricht ist wichtig, um die Grammatik zu begreifen und den Wortschatz zu lernen. Aber die Kommunikation, um die es nicht zuletzt geht, braucht vor allem Übung. Und die können wenige Stunden Unterricht in der Woche nun einmal nicht genug vermitteln.

Wir brauchen eine Mischung von Sprachkursen und von Arbeit in einem Betrieb, davon bin ich mehr und mehr überzeugt, eine Verbindung von Theorie und Praxis. So ähnlich wie auch sonst in der beruflichen Bildung eigentlich – zum Beispiel zwei Tage Unterricht, drei Tage Arbeit in einem Praktikumsbetrieb.

Wenn es klappt, haben am Ende alle etwas davon: Die einen bekommen einen Ausbildungsbetrieb, die anderen eine Nachwuchskraft und die Gesellschaft entwickelt mehr Akzeptanz gegenüber Zuwanderern. In Niedersachsen wollen wir dafür arbeiten.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Solidarität mit der Ukraine!

Das Land Niedersachsen hat unterschiedliche Partnerregionen in verschiedenen Teilen der Welt und in dieser Woche kommt eine dazu – die ukrainische Oblast Mykolajiw im Süden des Landes. Es ist eine besondere Partnerschaft – noch nie hatten wir es mit einer Region zu tun, die sich im Kriegszustand befindet.

In dieser Woche jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine ein weiteres Mal – zwei Jahre eines gnadenlosen, erbitterten Krieges mit Millionen von toten, verletzten und geflüchteten Menschen. Inzwischen ist es in weiten Teilen ein Stellungskrieg, der an den ersten Weltkrieg erinnert, allerdings mit modernen Waffen. Und es ist ein Krieg, der sich nicht auf die Ukraine beschränkt, sondern für Instabilität in vielen Ländern sorgt – Deutschland gehört mit dazu.

Pünktlich zum zweiten Jahrestag häufen sich die schlechten Nachrichten für die Ukrainer, die nun schon so lange ihre Heimat verteidigen. Nach monatelangen Kämpfen müssen sie sich aus der Stadt Awdijiwka zurückziehen, in den USA blockiert Donald Trump weitere Militärhilfen und mit dem Tod von Alexei Nawalny ist die Hoffnung auf eine Änderung der Verhältnisse in Russland auf absehbare Zeit zum Erliegen gekommen.

Dass Nawalny in einem Straflager am Polarkreis urplötzlich eines natürlichen Todes stirbt, nachdem er achtundvierzig Stunden vorher noch sehr vital gewirkt hat, ist schwer zu glauben. Da liegt die Vermutung näher, die Staatsmacht habe schlichtweg Schluss gemacht mit einem Dauerkritiker, der nicht bereit war aufzugeben.

Alle Welt sehnt sich nach Frieden, zuallererst sicher die Menschen in der Ukraine. Aber ein Frieden ist etwas anderes als ein russischer Diktatfrieden, der sicher zu erwarten ist, wenn diese Aggression am Ende Erfolg hat. Das wäre dann auch für die Autokraten dieser Welt ein Beispiel, dem sie nacheifern könnten.

Deswegen ist es nicht nur im Interesse des ukrainischen Volkes, wenn die demokratischen Staaten die Ukraine weiter unterstützen und sogar noch mehr als bisher. Das fällt auch uns in Deutschland nicht leicht, aber das Vorgehen der Bundesregierung ist aus meiner Sicht konsequent und richtig.

Mit der neuen Partnerschaft und der Unterstützung für Mikolajiw wollen wir als Land unsere Solidarität demonstrieren, aber die dort lebenden Menschen auch praktisch unterstützen, vor allem beim Wiederaufbau nach russischen Angriffen. Und ich hoffe, dass wir möglichst bald auch endlich wieder friedliche Zeiten erleben werden, in denen wir unbesorgt neue Freundschaften aufbauen und pflegen können.

Ich wünsche Euch eine gute Woche.

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Landtag Weils Woche

Das Grundgesetz feiern!

Seit nun schon drei Wochen erleben wir eine Kette von Demonstrationen gegen Rechts überall in Deutschland. Es werden auch nicht weniger, hat man den Eindruck, die riesige Demo in Berlin am letzten Sonntag war noch einmal ein Höhepunkt.

In Niedersachsen sind es inzwischen deutlich über eine Viertelmillion Menschen, die auf den Straßen waren, darunter beileibe nicht nur in den mehr oder wenigen großen Städte. Auch aus Regionen, aus denen ich noch nie von irgendwelchen Demonstrationen gehört hatte, werden teilweise erstaunliche Teilnehmerzahlen berichtet.

Ich finde das enorm ermutigend und so geht es sicher nicht nur mir.

Aber wie geht es weiter? Das Geheimtreffen eines rechten Netzwerks in Potsdam war der ursprüngliche Anlass für die Proteste und daraus ist eine große Abrechnung mit der AfD geworden. Das bleibt wichtig, aber wie schaffen wir es, den Blick auf das zu lenken, um was es uns positiv geht?

Eigentlich bietet sich dafür geradezu ein Jubiläum an, dass die meisten von uns noch so gar nicht richtig wahrgenommen haben: Am 23. Mai wird unser Grundgesetz fünfundsiebzig Jahre alt. Am 23. Mai 1949 ist es in Kraft getreten, es blickt auf eine sehr erfolgreiche Zeit zurück: ein dreiviertel Jahrhundert Frieden in Deutschland, persönliche und politische Freiheit und alles in allem unter Lebensbedingungen, nach denen sich unzählige Menschen auf der Welt sehnen und von denen frühere Generationen nur träumen konnten.

Mit dem Grundgesetz ist noch etwas anderes verbunden. Es ist entstanden auf dem Tiefpunkt der deutschen Geschichte – nicht wegen des verlorenen Krieges, sondern wegen der unfassbaren Verbrechen, die von Deutschen begangen worden waren. Das Ende des 2. Weltkrieges markiert auch den moralischen Tiefpunkt Deutschlands. Das ist heute anders, unser Land ist ein sehr anerkannter Teil Europas und der ganzen Weltgemeinschaft geworden. Aus “Deutschland, Deutschland über alles” wurde “Einigkeit und Recht und Freiheit“ – Ausnahmen bestätigen da leider auch die Regel.

Diese Entwicklung ist kein Zufall, denn das Grundgesetz ist eine antifaschistische Verfassung und hat die richtigen Konsequenzen aus dem Nationalsozialismus gezogen. Die Grundrechte schützen vor einem Unterdrückungsstaat, der Sozialstaat vor dem Raubtier-Kapitalismus und der Rechtsstaat sorgt für die Einhaltung der Regeln.

Und es geht nicht nur um die Interessen von denen mit den starken Ellenbogen, sondern auch um die Rechte der anderen und die Interessen der Gemeinschaft. Nichts davon gelingt perfekt, aber eine solche Verfassung beschreibt mit Sicherheit das Gegenteil dessen, was Autokraten wie Trump oder Putin wollen.

In einem solchen Rahmen lässt sich dann trefflich darüber streiten, welchen Weg die Politik einschlagen soll, aber der Rahmen bietet eben auch Chancen für (fast) alle Meinungen. Deswegen ist das Grundgesetz eine sehr populäre Verfassung, selbst wenn viele keine Einzelheiten kennen. Es handelt sich um das Fundament unserer Demokratie und ist so etwas wie der gemeinsame Nenner der Demokratinnen und Demokraten in Deutschland.

So eine Verfassung kann man ruhig feiern, finde ich. Und zwar nicht nur zentral mit einem Staatsakt, sondern überall im ganzen Land und auf ganz unterschiedliche Weise – von der Diskussionsveranstaltung an der Uni bis zum Verfassungsfest im Kleingartenverein und gerne auch mit einer Menschenkette oder einer weiteren Demo.

In Niedersachsen reden wir jedenfalls gerade mit vielen unterschiedlichen Partnerinnen und Partnern darüber, wie wir in möglichst vielen Teilen des Landes dazu das Jubiläum unseres Grundgesetzes begehen können. Unser Grundgesetz ist es allemal wert und eine ganz starke Demonstration für die Demokratie wäre es auch!

Ich wünsche Euch eine gute Woche.