Warum braucht es eine Krankenhausreform?
Unsere Krankenhauslandschaft ist historisch gewachsen – und das in vollkommen anderen Zeiten, als wir sie heute erleben. Veränderte Rahmenbedingungen und hohe Ansprüche an die Gesundheitsversorgung einer immer älter werdenden Gesellschaft stellen bundesweit viele Krankenhäuser vor Herausforderungen. Zahlreiche Krankenhäuser sind von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Krankenhäuser?
Die drängendsten Probleme lassen sich in drei Bereiche aufteilen:
- Die derzeitige Finanzierung durch sogenannte Fallpauschalen setzt die Krankenhäuser starken ökonomischen Zwängen aus und setzt Anreize, möglichst viele gewinnbringende Behandlungen durchzuführen. Beispielsweise werden in Deutschland mehr Herzklappen operiert als in jedem anderen Land in Europa, weil es hierfür verhältnismäßig viel Geld gibt. Gleichzeitig mussten viele Krankenhäuser in den vergangenen Jahren ihre Kinderstationen und Geburtshilfen schließen. Die Versorgung ist hier deutlich aufwendiger und damit teurer als bei Erwachsenen, wird aber nicht entsprechend bezahlt.
- Es bestehen zwischen Krankenhäusern zum Teil deutliche Qualitätsunterschiede. Häufig führen Kliniken Behandlungen durch, für die es ihnen an Ausstattung und Erfahrung fehlt. Das kann gefährlich sein. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Patientinnen und Patienten insbesondere bei schwierigen Eingriffen in dafür spezialisierten Krankenhäusern deutlich besser aufgehoben sind. Hier besteht ein erheblich geringeres Risiko, während einer Operation zu sterben.
- Krankenhäusern fehlt es häufig an Personal. Das betrifft Ärztinnen und Ärzte genauso wie Pflegerinnen und Pfleger. Verschärft wird der Mangel durch eine schlechte Verteilung auf zu viele Standorte.
Wie will die Krankenhausreform diese Probleme lösen?
Die Krankenhausreform verändert die Finanzierung der Kliniken grundlegend. Kliniken sollen nicht mehr nur davon abhängig sein, wie viele Operationen und Untersuchungen sie durchführen. Künftig sollen Krankenhäuser auch für die Vorhaltung von Personal und Ausstattung mehr Geld bekommen – also auch dann, wenn vorhandene Stationen mal nicht voll ausgelastet sind. Davon profitiert die wohnortnahe Versorgung gerade in ländlichen Gebieten, wo sich die Krankenhäuser tendenziell um weniger Patientinnen und Patienten kümmern müssen. Gleiches gilt für Bereiche wie die Geburtshilfe, die in der Regel höhere Vorhaltekosten als andere Fachrichtungen haben.
Zudem sollen besonders schwierige Eingriffe nur noch in dafür geeigneten und entsprechend ausgestatteten Krankenhäusern stattfinden. Diese Spezialisierung und Konzentration trägt dazu bei, dass insgesamt bessere Behandlungsergebnisse erzielt werden. Denn: Je häufiger bestimmte Operationen an einem Standort durchführt werden, desto weniger Fehler passieren. Durch weniger, dafür aber leistungsfähigere Standorte kann auch das vorhandene Personal besser verteilt und eingesetzt werden.
Was sind Versorgungsstufen und Leistungsgruppen?
Mit der Reform soll jedes Krankenhaus einer Versorgungsstufe – auch Versorgungslevel genannt –zugeordnet werden. Je höher die Versorgungsstufe, desto vielfältigere und anspruchsvollere Behandlungen können am Standort durchgeführt werden.
Außerdem sollen insgesamt 65 sogenannte Leistungsgruppen wie Herzchirurgie oder Geburtshilfe eingeführt werden, die alle medizinischen Bereiche abdecken. Damit ein Krankenhaus eine bestimmte Leistung anbieten darf, muss es über die dafür notwendige technische Ausstattung und das fachärztliche und pflegerische Personal verfügen. Diese sogenannten Mindestqualitätsanforderungen werden bundeseinheitlich festgelegt. Die Planungsbehörden der Länder weisen den jeweiligen Krankenhausstandorten ihre Leistungsgruppen zu. Insgesamt soll dadurch einerseits die Qualität der medizinischen Versorgung gestärkt und anderseits die gleichmäßige Verteilung von Behandlungsangeboten innerhalb einer Region sichergestellt werden.
Wird mein Krankenhaus vor Ort geschlossen?
Die Krankenhausreform hat nicht das Ziel, Krankenhäuser zu schließen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wegen der beschriebenen Herausforderungen wird sich die Krankenhauslandschaft ändern – mit oder ohne Reform. Tut die Politik nichts, sterben Kliniken ohne Rücksicht auf den Bedarf vor Ort. Gerade kleineren Krankenhäusern würde die Schließung drohen.
Die Krankenhausreform soll diesen Prozess aufhalten, die Versorgung in ganz Niedersachsen absichern und verbessern. Überall dort, wo trotz der Reform Krankenhäuser schließen müssen und dadurch die wohnortnahe medizinische Versorgung gefährdet ist, können Regionale Gesundheitszentren oder vergleichbare Angebote entstehen.
Wo werde ich im Notfall behandelt, wenn vor Ort kein Krankenhaus (mehr) ist?
Für Notfälle bleibt die medizinische Versorgung überall gesichert. In ganz Niedersachsen stehen Notfallpraxen, Rettungswagen und -hubschrauber sowie Telemedizin rund um die Uhr zur Verfügung.
Aber auch im Ernstfall gilt: Das richtige Krankenhaus ist wichtiger als der kürzeste Weg. Das heißt konkret: Die Überlebenschancen steigen deutlich, wenn man direkt in eine Klinik kommt, die über die jeweils notwendige medizinische Expertise und Ausstattung verfügt. Beispielsweise sollte ein Herzinfarkt in einer Klinik mit Herzkatheterlabor behandelt werden, für die Versorgung eines Schlaganfalls sollte eine sogenannte Stroke-Unit zur Verfügung stehen. Dies ist in kleineren Krankenhäusern nicht immer der Fall.
Sie und der Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind die richtigen Anlaufstellen für leichtere Eingriffe und nicht-lebensbedrohliche Fälle.
Wer hat die Krankenhausreform auf den Weg gebracht?
Auf Initiative der SPD hat der Niedersächsische Landtag von 2019 bis 2022 eine sogenannte Enquetekommission ins Leben gerufen. Die Kommission hat Empfehlungen entwickelt, wie die Krankenhausversorgung in Niedersachsen langfristig sichergestellt werden kann. Beteiligt waren neben den Abgeordneten zahlreiche Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen.
Auf dieser Grundlage wurde 2022 das Niedersächsische Krankenhausgesetz überarbeitet und damit der gesetzliche Rahmen für eine Reform auf Landesebene geschaffen. Niedersachsen ist als eines der erster Bundesländer überhaupt dieses wichtige Thema angegangen.
Kurz danach hat auch die Bundesregierung eigene Reformpläne veröffentlicht, die in vielen Punkten mit den niedersächsischen Vorhaben übereinstimmen. Gemeinsam haben Bund und Länder in den vergangenen Monaten an einer umfassenden Reform der Krankenhauslandschaft gearbeitet.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit dem Niedersächsischen Krankenhausgesetz hat das Land den ersten wichtigen Schritt getan. Als nächstes wird eine Arbeitsgemeinschaft aus Bund und Ländern im Herbst den Entwurf für ein Bundesgesetz vorlegen. Das Land Niedersachsen wird sich dabei auch weiterhin seine Erfahrungen einbringen und sicherstellen, dass die Interessen eines großen Flächenlandes berücksichtigt bleiben. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Anschließend werden die Regelungen in Niedersachsen an den Bund angepasst. Nach einer Übergangsphase soll die Reform ab 2026 ihre Wirkung entfalten.